Samstag, 15. Juni 2013

Die dümmste Theorie in der Praxis

Ich antworte hiermit auf diesen Blogpost!

>> Viele halten eine Faschistische Weltanschauung und das Propagieren der Ausgrenzung von Menschen aufgrund, unter anderem, ihrer „Rasse“ für eine Meinung. <<

Faschismus ist natürlich mehr als eine Meinung, eher eine verkorkste Einstellung und Prägung - und das Ausgrenzen von Menschen ist, wie korrekt angeführt, ein beliebtes Mittel. Reagiert man darauf allerdings, indem man diese wiederum ausgrenzt, dann ist die Tat - "das Ausgrenzen" - das gleiche. Natürlich kann man genau hinschauen aus welchen Motivationen ausgegrenzt wird, aber klar dürfte auch sein, dass Ausgrenzen kein Mittel eines gesellschaftlichen Miteinanders ist. Zudem wird das Problem nicht gelöst, sondern größer. Ausgrenzung von faschistischen Weltanschauungen produziert somit zusätzlichen Faschismus.

>> Nun macht es jedoch sehr wohl einen Unterschied, ob Autos angezündet oder Menschen auf Grund ihres „Anders Seins“ zusammengeschlagen, angezündet oder getötet werden und es macht wiederum einen Unterschied, ob letztere sich dagegen zur Wehr setzen. <<

Natürlich ist ein Unterschied zwischen Gewalt gegen Sachen und Gewalt gegen Menschen. Dennoch nehme ich mir die Freiheit heraus, beides weitestgehend (bis zur notwendigen Selbstverteidigung) abzulehnen. Hier scheinen wir auch ziemlich ähliche Meinungen zu haben.

>> Der Vergleich von Gewalt, die aus unterschiedlichen Gründen angewendet wird, ist an sich schon nicht statthaft. Ein Blick in das StGB zeigt, dass auch das Strafrecht Gewalt differenziert betrachtet. <<

Richtig, es gibt ja auch Staatsgewalt, Gewaltenteilung, verbale Gewalt, passive Gewalt (durch Ignoranz oder Wegsehen), Naturgewalten uvm. Daher ist Gewalt vielleicht nicht der richtige Begriff. 

Nennen wir es Verletzung, Grenzverletzung. Jemand, der andere verletzt oder sich gar anmasst, andere verletzen zu dürfen ... macht dies formaljuristisch in Form unterschiedlicher Straftaten - aber psychologisch auf der gleichen Grundlage: fehlende Empathie zu sich und dem jeweils Betroffenen. Mit-gefühl ist es schlicht unmöglich jemanden bewusst zu verletzen.


Wer sich näher hiermit näher beschäftigen will, der lese die Faschismus-Analyse von Adorno, Erich Fromm oder vor allem Arno Gruen 

>> Dies Differenzierte Sicht von Mitgliedern der Piratenpartei zu erwarten sollte also nicht Zuviel verlangt sein. Statt dessen kommen dann durch nichts Intellektuell unterfütterte Statements zur Pauschalen Ablehnung von „Gewalt“. Natürlich ist darin nicht die Ablehnung von jeglicher Gewalt enthalte. <<

Das ist richtig. Wenn ich jegliche Gewalt ablehne, dann lehne ich nicht automatisch Naturgewalt, Volksgewalt, Staatsgewalt oder Gewaltenteilung ab. Genausowenig muss ich, wenn ich Gewalt ablehne, damit auch Selbstverteidigung ausschliessen. Ich glaube darum geht es doch auch gar nicht? Oder ging es irgendwo um Selbstverteidigung? Nein, eben nicht! Es geht um die unnötigen Attacken verbaler, virtueller und körperlicher Gewalt und Verletzung - fehlende Empathie und Einfühlungsvermögen. Man kann sich den Einzelfall anschauen, ob es Selbstverteidigung war - aber ich bin mir keinem (aktuellen) Fall bewusst, wo dies irgendwo um Selbstverteidigung ging.

Wenn wir es nicht schaffen, uns zu einigen, welche Formen von Gewalt wir ablehnen - welches verletzende Verhalten wir damit meinen, wenn wir Gewalt als Handlungsoption ablehnen sollten ... dann kann uns nur schwer geholfen werden.


>> Es kann sowohl aktuelle als auch Historisch nicht davon gesprochen werden, das Gewalt immer und überall bedingungslos abzulehnen ist. <<


Es geht um das Ablehnen von Gewalt - soweit dies möglich ist (und sich die Gewalt nicht aufdrängt). Und dann muss man sich ganz genau anschauen können, ob es denn wirklich nötig war, die entsprechende Gewalt anzuwenden. Genau hier muss sich derjenige messen lassen, wenn Gewalt angewandt wird.

Die Frage ist, wer sich durch was legetimiert fühlt, Gewalt über andere missbräuchlich (verletzend) ausüben zu können. Ja, es gibt Gewalten, wie die Volksgewalt, die durchaus legitim (und sogar gewaltfrei;-) angewandt werden können.


>> Die Extremismustheorie, nach der braun gleich rot sei, Extremismen sich an den Rändern der Gesellschaft wieder finden lassen und dort quasi berühren, ja die Gleichsetzung von Nationalsozialismus und DDR, wird in der Piratenpartei oftmals unkritisch übernommen und eingesetzt.
Warum Weltanschauungen welche Hierarchien, Unterordnung und das Recht des Stärkeren bis hin zu„Ausrottung“ und Kriegen propagieren gleich sein sollen mit Theorien, welche für ein solidarisches, selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen eintreten ist bei Wachem Verstand nicht nachvollziehbar. <<

Natürlich ist braun nicht rot. Auch die Ideologien sind unterschiedlich. Es geht nur und ausschliesslich um die sinnlose destruktive Gewalt - von, "komm lass uns losziehen und Glatzen klatschen" bis zum Mob, der Asylantenheime anzündet. Das ist in beiden Fällen nicht empathisch, nicht sozial - sondern eher pathologisch, geradezu krank. Das gibt es aber nicht nur in Extremen, sondern auch subtil in unserer Kommunikation in Form von Beleidigungen, Verletzungen, Ausgrenzungen, etc.

In beiden Fällen liegt die tiefe Ursache darin, dass wir das Schwache in uns selbst unterdrücken - und damit letztlich im Aussen über andere Menschen ausagieren. Wer sich verletzend über andere Menschen stellt und sich als etwas besseres empfindet - berechtigt fühlt, ohne Notwendigkeit Gewalt anzuwenden und sich somit in seiner Autorität zu bestärken, der hat den gleichen Knacks - ob Links, Rechts, Oben, Unten oder sonst etwas. Das hat mit Politik nichts mehr zu tun. Das ist Psychopathologie.

>> Da wird allen ernstes das auf„Rassenreinheit“ basierende Volksgemeinschaft-Konzept der Nazis gleichgesetzt mit Gesellschaft, in welcher politische Gleichheit und soziale Gerechtigkeit für alle, unabhängig von Herkunft und Leistung anstrebt. <<

Das scheint eine Miss-Interpretation zu sein. Nazis werden mit den Menschen gleichgesetzt, die andere wegen ihrer Meinung, Haltung, Art, Krankheit, Dachschaden, ... ausschliessen und mit unnötiger verletzender Gewalt begegnen. Nazis werden nicht mit Menschen gleichgesetzt, die wirkliche politische Gleichheit leben - sondern eben mit denen, bei denen die Gleichheit genau da eine Grenze hat, wo der eigene Horizont der Empathie und des Mitgefühls endet. Das ist der Grund für die vielen Streitereien, Hickhacks, Verletzungen und Kämpfe. 

Vorstellbar, dass viele Menschen eine Auseinandersetzung mit Nazis ablehnen. Aber diese sollten sich bewusst machen, dass dies das Problem vergrößert und nicht löst!! Und gleichzeitig sollten sich diese bewusst machen, dass es andere gibt, die glauben, dass nur durch die Kommunikation und Auseinandersetzung mit Nazis, Chauvinisten und anderen verletzenden Charakteren, eine wirkliche Änderung, Heilung und Lösung erreicht werden kann. Ich kann tolerieren, dass sich Menschen von Nazis abwenden - ich wünsche mir aber auch Rückendeckung, wenn ich den kommunikativen Weg wage. Sonst wird ein gehbarer Weg abgeschnitten - und vor allem werden diejenigen von Menschen gleicher Gesinnung zusätzlich bekämpft.

Wer ernsthaft glaubt, dass sich ein Mensch, der von vielen oder gar allen Seiten ausgeschlossen - beschimpft - verletzt wird, besinnt und Besserung gelobt, der lebt gefährlich realitätsfern und PRODUZIERT das Phänomen, das er zu bekämpfen vorgibt!!

>> Wer ernsthaft der Meinung ist, das Rechts und Links zwei Seiten der gleichen Medaille sind, verkennt, das ihre Werte und Inhalte sich Konträr gegenüberstehen. <<

Das mag ja sein! Nochmals: Es werden garnicht die Ideologien verglichen. Das verletzende Verhalten, soweit es zu Grenzverletzungen kommt, wird betrachtet. Und ich habe ganz persönlich tief genug nach Links geblickt, um dort auf Menschen zu treffen, die einzig und alleine für den Rausch der Gewalt auf Demos gehen oder Glatzen jagen. Da ist es teilweise egal, ob das wirklich ein Nazi war. Ich kann bestätigen, dass es im linken Lager sinnlose Gewalt gibt. Und diese Gewalt, ein Baseballschläger auf dem Kopf, ist gleich - egal aus welcher Himmelsrichtung. Es kann auch sein, dass es rechts weit mehr Idioten gibt - ich würde das sogar stark vermuten. Aber Idiot ist erstmal Idiot. Und das muss nicht gleich eine Schlägerei sein. Das zeigt sich bereits in unserer Streitkultur und wie wir miteinander umgehen. Das steckt subtil in uns allen. Da kann sich praktisch keiner ausnehmen, nicht auch verletzend oder überheblich zu werden. Und genau dieses wechselseitige Verletzen und chauvinistische darüber stellen (resp. Unterordnen) ist psycologisch das gleiche bzw, komplementär.


>> Meinungen Grenzen nicht aus, exkludieren Menschen nicht aus der Gesellschaft und üben schon durch Worte Gewalt aus. <<

Exakt, es geht nur um das Verhalten von Ausschluss und gewaltiger Verletzung - und da haben die Rechten nunmal kein Patent drauf ;)


>> Menschen die „Freiheit“ zuzugestehen, die Freiheiten aller anderen, inklusive deren Recht auf Leben, abzuschaffen hat nichts mit Toleranz zu tun. Es zeigt nur, das diejenigen, die diese fordern und tun, nicht mehr alle Latten am Zaun haben!
Indem man den Feinden der Freiheit alle Freiheiten geben will, die Freiheit zu zerstören, schützt man die (Meinungs-) Freiheit zu Tode! <<

Um wen geht es denn hier? Menschen mit faschistoiden, chauvinistischen Zügen wollen doch nicht durch die Bank das Recht zu Leben für andere abschaffen. Das sind sicher nicht wenige - aber auf jeden Fall eine Minderheit innerhalb der insgesamten braunen Masse. Wenn wir uns dem Faschismus und Chauvinismus im Kern stellen wollen, dann müssen wir uns doch keine Mörder vorstellen. Das sind ganz alltägliche Begegnungen, wo man sinnvoll reagieren kann. Wenn man aber gleich jedem so begegnet, als sei er Teil DIESES Feindbildes, dann wird klar, dass hier von Links überreagiert wird. 

Sicherlich ist Schweigen ein riesiges Problam - aber nicht immer gleichzusetzen damit, dass man denen alle Freiheiten geben würde. Dieser Absatz ist schlicht überzogen und skizziert ein Feindbild. Ja, wenn es um solche Mörder geht, dann ist das eine ganz andere Sache. Im Alltag geht es aber nicht darum, das ist subtiler.

>> Entweder, man ist für Unfreiheit, Chauvinismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit und will dies unter dem Mantel der Meinungsfreiheit schützen. Dann hat man eine Wahl getroffen für die Barbarei
Wer aber der Überzeugung ist, das Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen, der tut gut daran, den Nazis den öffentlichen Raum wegnehmen, denn das ist unser Raum. Damit nehmen wir unser Recht auf Meinungsfreiheit wahr und Stärken es zugleich gesellschaftlich. <<

Nix entweder oder. Chauvinismus und subtiler charakterfaschismus steckt in jedem einzelnen von uns - und genau das ist das eigentliche Problem... und nicht, dass es nur ein paar rumlaufende Köpfe wären. Das sind Mechanismen, die bei Wirtschaftskrisen, geschürten Ängsten und unterdrückten Schwächen aufkochen und explodieren. Bislang hat die Menschheit da insgesamt noch nicht gelernt - und wir scheinen mal wieder mittendrin im Pulverfass zu sein.

Ob es Sinn macht den Nazis den öffentlichen Raum "wegzunehmen", darüber kann man streiten, denn ich glaube, dass man hiermit eine weit gefährlichere Gegenöffentlichkeit erst schafft. 









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