Donnerstag, 23. August 2012

Politische Kommunikation

Es ist der Krieg im Geiste - jedes Einzelnen - der den Krieg auf die große weltliche Bühne transportiert.

Die alltäglichen subtilen kommunikativen Verletzungen sind der Ursprung der Möglichkeiten für Waffengewalt und Massen-Vernichtung!!

Gewisser Weise ist eine Verletzung nunmal eine Verletzung - ob geistig oder körperlich ist kein großer Unterschied, wenn die geistigen Verletzungen die Wurzeln der körperlichen Gewalt oder gar Massenvernichtung sind.

Politik ist, wenn diese nicht nur etwas innerhalb des Systems verändern möchte - sondern sich selbst - eine Form gesunder oder gar heilsamer Kommunikation, um die uns betreffenden gesellschaftspolitischen Probleme zu lösen. 

Angesichts der Grabenkämpfe politischer Strippenzieher ist es dabei fast egal, welche Kommunikationsformen, Trainings und psychotherapeutischen Spiele Einzug in den politischen Alltag finden* (von irgendwelchen Sekten natürlich abgesehen!). Hauptsache der öffentliche Krieg der Gedanken und Worte wird dadurch auf eine Ebene der Lösung, Klärung oder gar Versöhnung gehoben.

Es ist ein Trugschluss zu glauben Probleme in der Gesellschaft oder Welt lösen zu können, wenn man selbst noch subtile, direkte oder indirekte Gewalt in der Kommunikation praktiziert. Diese Gewalt und Verletzung beginnt stets da, wo wir die Augenhöhe oder gar Gürtellinie verlieren - wenn wir uns derart über jemand stellen, diesen unterordnen zu wollen - ohne Einwilligung oder gar gegen den Willen. Denn genau ab dann geht es nicht mehr um Selbstbestimmung, sondern Fremdbestimmung, verbalen Missbrauch!

Der politische Alltag ist voll von diesem kommunikativen Missbrauch verbaler Verletzungen. Einerseits sind dies sogenannte "autoritäre Persönlichkeiten", die unterordnen, den anderen übertönen, beleidigen und am liebsten mündlich ausschalten wollen - schlicht nicht wirklich zuhören können, weil diese sich selbst als wichtiger empfinden als das Gegenüber. Diese Charaktertypen werden von T.W. Adorno und Erich Fromm als die Ursuppe und Wurzeln rechter Gewalt beschrieben. Tatsächlich benötigt der Faschismus diese Gewöhnung an die Unterordnung, um überhaupt in der Masse ausbrechen zu können!

Andererseits sind es die sogenannten "Rebellen", die sich und andere zwar nicht unterordnen wollen, aber überordnen, darüber hinwegsetzen - für die keine Regeln zu gelten scheinen, wenn diese sich nicht mit den Regeln identifizieren können. Der Rebell bemerkt nicht, dass "alle Regeln zu brechen" ebenfalls eine Regel ist und dass "niemand unterordnen wollen" nicht funktioniert, wenn man sich überordnet und hinwegsetzt. Der "Rebell" wird von Arno Gruen, der die Arbeiten von Adorno und Fromm am weitesten entwickelt hat, als der Ursprung linker Gewalt beschrieben.

Beide Urformen des "Totalitären" - linker und rechter "Gewalt" (!) - existieren selten in Reinform. Wir alle sind meist bunt gemischt aus den verschiedensten Kombinationsmöglichkeiten beider Pole. "Wehret den Anfängen" beginnt somit bei der eigenen Nase, bei sich selbst! 

Man könnte behaupten, dass dieser Ursprung rechter Gewalt noch lange kein Faschismus und mit diesem nicht vergleichbar sei - aber es handelt sich dennoch bereits um Verletzungen, wenn auch "nur" verbaler Natur. Genauso kann man bei den Ursprüngen linker Gewalt argumentieren. Denn was ist schon dabei, wenn sich jemand selbstbestimmt über gesellschaftliche Regeln des Zusammenlebens hinwegsetzt, ein bisschen Bonzenautos zündelt oder einfach nur "tote Materie" zerstört - sich ja nur gegen die Gewalt von "Rechts" oder "Oben" wehrt. In beiden Fällen hat derjenige den Kontakt zu sich selbst, seinem Gegenüber und meist auch zur Gesellschaft verloren - beide praktizieren und legetimieren (!) Gewalt,  wenn auch nur ganz feiner, kaum spürbarer - also versteckter - Art. Und beide Formen liefern erst den Boden für totalitäre Systeme der einen oder anderen Weise. Da kann man noch so viele Sympathien für die eine Richtung haben - wenn diese im Extrem bzw. am Ende in ein vernichtendes System überzulaufen droht, sind bereits die Anfänge zu kritisieren, thematisieren oder gar zu lösen.

Damit ist keine "Zivilcourage" oder "Notwehr" gemeint - sondern bereits die feinen Schritte, die erst zu Situationen führen, in denen "Zivilcourage" und "Notwehr" angebracht sind. Und in der Regel betrifft dies immer beide, alle Kontrahenten, und eigentlich nie nur eine Seite eines Konflikts. In Wirklichkeit leiden beide Seiten darunter - und nie nur der Schwächere, der Stärkere eher unbemerkt, der Klugscheissende eher unwissend, der Stillschweigende mit Kloss im Hals oder der stets nachgebende in Selbstverleugnung. Im Prinzip sind allesamt Verlierer, wenn ein Konflikt nicht zur Lösung führt und in einem kriegerischen Zustand harrt.

"Politische Kommunikation" ist daher nicht nur das Lösen der Probleme unserer Finanz-, Bildungs-, Gesundheits-, Arbeitsmarkts- und Jugend-Krisen - sondern vielmehr das Lösen der zwischenmenschlichen Krise, zwischen mir, Dir und allen anderen Menschen!
Die Krisen sind somit nicht relativ von einem selbst entfernt, sondern stecken bereits in uns und zeigen sich in jedem Konflikt, den wir verletzend ausfechten oder umgehen.

Innerhalb einer Partei geht es darum, die Menschen auf gleicher Wellenlänge zu sammeln und zu bündeln. Dahr macht es auch Sinn unpassende Strömungen auszuschliessen. Dies geht vor allem dann wie von alleine, wenn innerhalb der Partei eine Kultur gepflegt wird, die z.B. totalitären Entwicklungen bereits von Anfang an widerspricht - z.B. indem es besonders menschenfreindlich zugeht. Wird aber nicht gelebt, was gepredigt wird, werden sich auch entsprechende Charaktere sammeln und wohl fühlen.

Was bedeutet es, wenn der Umgangston in einer Partei zu hart ist für weiche und sensible Charaktere? Ist es dann nicht logisch, dass autoritäre und rebellische Charaktere Überhand gewinnen und ein eher totalitärer Wind zu wehen droht? Werden die sanftmütigen und schwachen wirklich im politischen Diskurs nicht gebraucht? Ist es nicht verlogen gegen Diskriminierung zu sein, aber eine Kultur zu pflegen, an der nur verbal starke, laute und gar aggressive partizipieren können?

"Politische Kommunikation" ist, wenn sich alle legalen Parteien (als Abbild der gesellschaftlichen Positionen) praktisch an einen vielleicht sogar kreisrunden Tisch setzen. Das ist vergleichbar einer modernen Form des indianischen Medizinrads, wo die Gegensätze wie zB. Jugend und Alter gegenüber Platz nehmen. Es wird nicht über den Feuerplatz in der Mitte, sondern kreisum kommuniziert. Alle sich widersprechenden Positionen werden genannt, um am Ende zu einem Ergebnis zu kommen, das von allen getragen werden kann.

In der "politischen Kommunikation" geht es vor allem um diese gegensätzlichen, sich offensichtlich wiedersprechenden Positionen. Da scheinen nationale Belange der Globalisierung gegenüber zu widersprechen. Da scheint "die Sicherheit" in's Wort zu fallen und "der Freiheit" eine Scheibe abzuschneiden. Da sollen Banken und deren Risiken sozialistisch vergemeinschaftet zu werden - gegenüber Positionen, die den neoliberalen Kurs und die Selektion des Marktes einfordern - wiederum gegenüber Positionen, die sich mehr staatliche Regulierung wünschen. Es erscheint jeweils unmöglich zwischen den Polen zu vermitteln.

Wir befinden uns in einer Zeit, wo nahezu jedes der bisherigen Systeme im Extrem versagt hat. Und mit Versagen meine ich Kriege, Massenvernichtung, Hunger und soziale Ungerechtigkeit - und nicht nur Schwierigkeiten bei der einen oder anderen Problemlösung! Sicher wurden die einzelnen Konzepte nur selten im Geiste des Erfinders durchgeführt und man sollte auch diskutieren, warum das Versagen auch heute noch jeweils an der Umsetzung liegt. Vielleicht könnte man sich darauf einigen, dass in fast jedem der bisherigen Systeme Elemente waren, die zumindest gut gemeint waren. Jedenfalls bekämpfen sich diese ursprünglichen Urformen auf eine Art und Weise, die jeweils schon Ansätze zu verhindern versucht, wenn eine Idee auch nur nach der einen oder anderen Form zu riechen scheint.

Man bedenke, dass aktuell von den Linken gefordert wird, dass sich die Banken ihrem ursprünglichen neoliberalen Kurs doch bitte schön auch zu ergeben haben und nicht plötzlich nach sozialistischer Vergemeinschaftung ihrer Schulden schreien. Genauso werden plötzlich nationale Belange geschützt, wenn die EU in die Souveränität von Deutschland eingreifen will. Wir sind also bereits so weit, dass die einzelnen - ich will sie mal Werkzeuge nennen - nicht mehr den ursprünglichen Strömungen zuzurechnen sind. Und das ist auch gut so, denn vielleicht hat fast jedes der bisherigen Werzeuge seinen rechtmässigen Platz. Vielleicht sollte auch keines der Werzeuge gleich zu einem System führen und als Grundprinzip über alles gestellt werden. Vielleicht müssen die Werkzeuge endlich wertfrei diskutiert werden können. Doch genau an dieser Stelle befinden wir uns im Krieg der "Ideologien und -ismen" aller couleur.

* = Beispiele für lösungsorientierte Kommunikations-Techniken:

p.S.:
Wir haben einen Rechtsstaat und der sollte im richtigen Mass das richtige regulieren - nicht überregulieren, nicht das Falsche regulieren und nicht das Richtige zu halbherzig regulieren. Wir befinden uns in einem Land und gewisse nationale Belange sind sehr wohl schützenswert - so sehr man sich auch gegen nationalistische Wucherungen zu recht zur Wehr setzt. Tatsächlich macht es keinen Sinn nur die Schulden und Risiken der Banken zu vergemeinschaften - entweder die Banken und Anleger tragen ihr Risiko selbst und selektieren sich somit, oder auch die Vorteile der Geldschöpfung sind ebenso zu vergemeinschaften. Der Markt reguliert sich absolut nicht selbst, das neoliberale Märchen ist am Ende. Dem Markt sind genau da Grenzen zu setzen, wo sich dieser dank Profitgier über soziale Notwendigkeiten stellt und letztlich gegen den Menschen "handelt". Auch die Privatisierung von Gemeingütern wie Verkehr, Öffentlicher Nahverkehr, Telekommunikation, Medien, Post, Wasser, Energie und teilweise auch Banken, hat sich nicht als sonderlich positiv erwiesen. Es sollte prinzipiell überdacht werden, welche Leistungen sich die Bürger eines Landes gönnen wollen und wie sich diese die Kosten und Vorzüge teilen - und vor allem, wie dies jeweils zu organisieren ist.

1 Kommentar:

  1. Sehr schöner Artikel, besonders dieser Satz:

    "Es ist ein Trugschluss zu glauben Probleme in der Gesellschaft oder Welt lösen zu können, wenn man selbst noch subtile, direkte oder indirekte Gewalt in der Kommunikation praktiziert."

    Obwohl es mir als utopisch erscheint, subtile und indirekte Gewalt aus (kontroverser) Kommunikation heraushalten zu können. Dazu hat Mensch seine Emotionen nicht im Griff und das ist auch gut so.

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