Sonntag, 16. Juni 2013

"DEN Nazi", sowas gibt es doch garnicht!

"DEN Nazi", sowas gibt es doch garnicht! wenn es DEN Nazi gäbe, dann wäre es einfach und das problem spielend lösbar. Nein, es ist komplexer, weil es Menschen sind und diese alle unterschiedlich sind.

wenn jemand über eine fremde kultur schimpft und seine verachtung zum ausdruck bringt, dann lohnt es sich nachzufragen, woher denn diese Einstellung kommt (man selbst habe da ganz andere erfahrungen gemacht).

Was, wenn derjenige erzählt, dass seine eltern von Menschen aus der besagten Kultur ermordet wurden? die ersten male, wo ich solches feedback erhalten habe (mal ging es um die Schwester / Bruder, Tante, Großeltern,...), war ich erstmal baff und wusste nicht zu reagieren. hab dann erstmal durchgeatmet und mich vorsichtig weiter getastet. "aber Du bist Dir schon bewusst, dass nicht alle Menschen gleich sind, in keiner kultur. Du kannst doch jetzt nicht alle über einen kamm scheren?"

es ist schwierig bis unmöglich solche gespräche mit mehreren zu führen, die eine verachtende Einstellung haben, denn die versuchen sich wechselseitig auf kurs zu halten (auch, da sie ihre Identifikation und ihr gruppengefühl zum teil über die gemeinsame verachtung erhalten). dem vorschlag von Harry, derart in eine Nazidorf im dunklen osten zu gehen, werde ich daher nicht folgen ;-) aber mit Einzelnen kann man recht schnell zum kern vordringen, sofern diese natürlich wollen. erzwingen darf man das nicht (man schafft es aber eigentlich immer mitzuteilen, dass man selbst anderer meinung ist)

"was ist es denn genau, was Dich an den $$$ so stört? wie fühlt sich das an, wenn Du jemandem begegnest?" ... in der regel kommen hier zunächst schwachsinnige, unüberlegte pauschalisierungen. "die stinken" sagte mir zB. ein penner, der selbst zum himmel stank. das hat er irgendwie an meinen augen erkannt und wir mussten beide lachen. an seiner reaktion bemerkte ich, dass er - "merkste selbst" - kurz realisierte, dass er sein eigenes problem den anderen zum vorwurf macht.

das sind magische momente, die man auch einfach mal kurz wirken lassen kann. zentral ist, dass man von diesen floskeln "die stinken, sind kriminelle, herzlose, faule, nehmen arbeit weg oder arbeiten nicht, ..." weg kommt zu den persönlichen gefühlen im augenblick der begegnung.

"was fühlst DU denn, wenn Dir ein $$$ begegnet - schau mal da drüben, ist das nicht ein $$$?" ... es ist viel, wenn dann als Antwort ein Gefühl namentlich benannt wird, wie z.B. "Wut". ist es verständlich, wenn jemand bei einer solchen begegnung wütend wird, wenn er somit gezwungen ist, sich an sein unverarbeitetes drama zu erinnern?

es muss ja nicht immer ein solches drama dahinter sein. tief im osten wird es häufig die arbeit sein, die arbeitslosigkeit und die eigene perspektivlosigkeit. die eigene (sehr wohl reale!) bedrohung wird dabei kanalisiert auf $wasweissichnichalles. damit komme ich persönlich am wenigsten klar. was, kein Mord oder Missbrauch in der Familie und Du machst $xy für Deine Ängste verantwortlich? das ist mir zu primitiv - erstick Doch an Deinen eigenen projektionen!! nur, dann werde ich selbst zum Teil des problems ... und "Ängste" können gefährliche Gegner werden, die man besser ernst nimmt.

bei den meisten "Nazis" (also der Masse) dreht es sich um einfache Mitläufer, die schlicht zu wenig reflektiert haben, was sie da sagen oder wem sie da folgen. die meisten machen das aus zugehörigkeitsgefühl - in so Nazidörfern sicherlich auch, weil keine wirklichen alternativen (mehr) für zugehörigkeit vorhanden sind... manche machen das aber auch aus angst, weil sie sonst zum Ziel werden, wenn sie nicht dazugehören. wie auch immer: diese fälle sind psychologisch die einfachsten - und in einem gespräch 1:1 noch am zugänglichsten. die wirklichen probleme sind diejenigen, die ein drama mit ihrer überzeugung verbinden - oder, noch schlimmer, ein intellektuelles gerüst gebildet haben, das Emotionen und Empathie verhindern versucht [sind praktisch nicht zugänglich]

zurück zu den gefühlen: im prinzip dreht es sich um Schmerz, Angst, Wut, Kontrolle, Depression und Scham sowie das "strategische Ego". Auch, wenn diese Aufzählung eine Vereinfachung ist (und Vereinfachungen immer irgendwo hinken), kann diese recht hilfreich sein, wenn man sich in der Psyche orientieren möchte. "Wut" folgt z.B. aus dem Ohnmachtsgefühl der "Angst" - und Angst ist immer eine, die man vor einem realen (aber eben meist VERGANGENEM) "Schmerz" hat. eigentlich geht es immer um diesen Schmerz. wir tun alles, um einen einmal erlebten und nicht vollends verarbeiteten schmerz nie wieder zu fühlen (verständlich, nur eben surreal, da vergangenheit).

"Verständlich, dass Du wütend bist, wenn Deine $$$ umgebracht wurden - wovor hast Du denn Angst, was könnte schlimmstenfalls passieren?" ... die Antwort wird aus dem Kopf erfolgen, aber die exakte Angst triggern ... "Nichts wird passieren, denn ich werde ihm vorher den Hals umdrehen!" ... "Du lebst also in permanenter Angst. Wie fühlt sich das an, Du hast ja schon Schweissperlen auf der Stirn und atmest schneller...????????" [das zentrale Ziel ist den eigenen Körper und die ablaufenden Gefühle zu beobachten, denn an dieser Stelle ist eine Projektion unmöglich und kann wieder zurück geholt werden!] "fühl mal Deinen körper, merkst Du, dass Du leicht zitterst?" ... "es schnürt mir den Hals zu ... wie ein Kloss im Hals" ... das sind alte Gefühle, die Du eigentlich nicht mehr brauchst - warum schleppst Du die immernoch mit Dir herum?

wenn man lange genug, vorsichtig und behutsam in diesen Wunden bohrt kommt man - vorausgesetzt der Vertrauensrahmen ("Rapport") ist groß genug - zwangsläufig bei einem Zusammenbruch an. so krass es sich anhören mag; wenn mein Gegenüber in Tränen ausbricht, weiss ich, dass wir am Ziel sind. man sollte nicht sofort eingreifen, sondern denjenigen erstmal selbst etwas reinsteigern lassen. wenn man zu schnell den Arm um das würstchen legt, geht dieser vielleicht nicht ganz in seinen eigenen schmerz. wenn derjenige sehr mit dem schmerz involviert war, vielleicht sogar beim Mord der $$$ anwesend war, dann ist es nicht unüblich, dass Visionen vom damaligen geschehen auftauchen. das einzige stilmittel, mit dem man recht bedenkenfrei arbeiten kann und sollte, ist die atmung ""hey, atme mal tief durch!!" (und dann atmet man selbst tief ein und aus, nennt sich "leading";-) - wenn altes hochkommt kann es wichtig sein zu realisieren, dass dies vergangenheit ist und wir jetzt HIER sind. dass das alte keine macht mehr hat.

ich habe bewusst eine ganze reihe hypnotischer stilmittel weggelassen, die ich in meiner arbeit nutze. es ging mir nur darum ein beispiel aufzuzeigen, wie es mir schon zigfach begegnet ist. ich habe solche erfahrungen jetzt bereits hunderte male in den letzten fast 20 jahren erlebt. der ablauf ist gewisser weise immer derselbe, auch wenn sich verschiedene faktoren ändern.

ACHTUNG: ich will niemanden ermutigen irgendwelche psychologischen spielchen mit wildfremden oder politischen gegnern durchzuführen. wenn man einfach offen, vertrauensvoll und wirklich interessiert am anderen MENSCHEN ist, kommt man mit etwas nachbohren, ganz von selbst unwahrscheinlich tief - einfach nur durch Interesse am Menschen und seinem schicksal. man darf den anderen auch nicht als seinen patienten sehen, sondern eher reflektieren wo man selbst ähnliche erfahrungen machen musste - auf augenhöhe bleiben!! die ersten male ist mir das alles bei ganz normalen gesprächen passiert - ich wusste garnicht, dass sich dahinter ein reproduzierbares muster verbirgt. deshalb weiss ich, dass dies durch ganz normales interesse am menschen sehr heilsam sein kann.

"was hat Dich dazu gebracht $$$ zu verachten?" - "wie fühlt sich das heute noch an?" ... "mal ganz ehrlich - klingt nicht so, als sei das schon wirklich verarbeitet?!?" - "um welchen Schmerz(!) geht es und wie fühlt sich dieser (hier und jetzt) an?" - "brauchst Du den noch? Nein, dann lass es los / raus!!"

nachdem man etwas losgelassen und sich ausgeheult hat, muss auch wieder etwas zurück kommen und neu gefüllt werden. das ist wie ein Loch. tief atmen macht da sinn - oder sich bewusst machen, dass die fremde kultur $$$ keine angst mehr auslöst. genial ist natürlich, wenn sich eine gelegenheit bietet, einem $$$ direkt die hand zu reichen... etwas neu zu machen, wie frisch geboren.

es muss auch garnicht bis zum heulen und zusammenbruch (eskalation) gehen. es kann reichen, dass einfach jemand da war, der verständnis für die eigene situation gezeigt hat - aber auch klar äusserte, dass es keinen sinn macht, eine ganze kultur für die schlechten erfahrungen zu verurteilen. da es um absolute freiwilligkeit geht, kann es gut und gerne dutzende so gespräche brauchen, bis jemand zulässt, an seinen eigenen schmerz zu kommen. aber daher braucht es mehr menschen, die sich wirklich füreinander interssieren.

und noch eine magie kommt hinzu: in der regel lassen wir fremde in solchen situationen näher an uns heran, als enge freunde. wahrscheinlich, weil wir den fremden nie wieder sehen werden. das kennt jeder von uns, dass wir mal einem wildfremden das herz ausgeschüttet - oder uns weiter geöffnet haben, als wir das von uns selbst gewohnt sind.

da ich ja inkompetent bin, wenn ich meiner meinung keine quellen beifüge - das meiste kann im NLP (besonders Arbeiten mit Phobien) und klassischer klinischer Hypnose (die es ja angeblich nicht gibt - wir ja nur mal mehr oder weniger tief in Trance bzw. bei Bewusstsein sind) nachgelesen werden. und da es sich nur um meine persönliche erfahrung / meinung handelt, kann man das alles, wenn man will, auch nur als (schl)Echtes Märchen betrachten. liegt ganz bei einem selbst :D

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